Jens war klein und trotzdem verstand er recht gut, dass sie sich stritten und dass dies schlecht war auch. Um das zu beenden, versteckte er sich stets hinterm Vorhang. Dass er der Grund war, wusste er, weil sie manchmal seinen Namen nannten.
Einmal knallte die Tür und er kam eine Ewigkeit nicht wieder, dieser Mann, den er Papa nannte und so liebte, dass er ganz wirr wurde, wenn er nicht mit ihm sprach und spielte.
An einem verregneten Sonntag verstand er es dann: Er war weggelaufen, weil er so viel falsch machte oder sich manchmal so aufregte und dann Mami so schlechte Laune bekam. Aber er würde bestimmt wiederkommen. Schließlich war ja auch Mami so allein und vermisste ihn. Zumindest weinte sie manchmal im Bad.
Deswegen malte er ganz viele schöne Bilder und wenn er ihn mal abholte, ärgerte er sich fast gar nicht, auch wenn er kein Eis bekam. Außerdem weinte nur noch Zuhause, außer wegen dem Aua am Knie, aber nur ganz kurz. Zu seiner Mami war er immerzu nett, nicht mehr nur weil sie so schön war, nein, sie konnte ja nichts dafür und er, er würde das jetzt wieder gut machen.
Scheidung
getrennt zusammen
Langsam – ein bisschen zu langsam – liefen sie nebeneinander her und die kleinen Steine bohrten sich sanft in seine Fußsohlen und er wünschte es sich mehr als sonst. Einfach mal wieder den Arm um sie legen und sie an sich ziehen und, ja, sie würde ihn küssen wie damals vor ihr, der kleinen Version von ihnen, die ein paar Meter hinter ihnen glucksend Muscheln sammelte.
Sie wollte dasitzen und einfach nur sehen wie die Sonne mit der Nacht verschmolz und den Kopf an seine Schulter legen. Doch er würde dann wieder mehr wollen und das endete eigentlich immer in irgendeiner Auseinandersetzung. Außerdem wäre es vielleicht endgültig vorbei und zwar nicht für sie, nein, für Lydia und sie seufzte und lächelte ihn an mit einem dieser falschen Lächeln, die sie vor dem Spiegel geübt hatte.
Als er zu später Stunde das Zimmer verließ, wusste sie, dass er wieder zu diesen Frauen ging und der Groll von damals kroch ihre Brust hinauf und löste sich in einem: „Weck mich später bitte nicht, Mark, und geh’ duschen. Ich will hier nicht überall diesen Geruch nach billigem Parfüm haben.“ Er verließ das Zimmer mit diesem Gefühl, das ihn von innen auffraß und das er so gewohnt war, seit, ja, seit sie getrennt zusammen lebten.
An diesem Abend passierte es jedoch gleich auf der Treppe. Er bemerkte zuerst ihre Haare, irgendwie total wild, und dieses Lächeln, ungeschminkt und ehrlich. Vielleicht würde er hier auf Sylt auch eine kleine Affäre beginnen, dachte er noch ehe er sie ansah mit diesem Blick, den er hervorzaubern konnte; ebenso gekonnt wie sein lässiges Grinsen. Sie und er, Nacht für Nacht in den kommenden zehn Tagen, das wäre doch was. Während der Gedanke seinen Körper durchflutete, fing sein Blut zu pochen an. Dort, wo er es am liebsten spürte. Ihr war wohl auch nach einem Getränk, denn er musste nicht mal besonders charmant sein. Sie hieß Tonja und später schafften sie es kaum aufs Hotelzimmer. Sie liebten sich die ganze Nacht und als er gegen Mittag aufwachte, wollte er nicht zurück. Während er die Zimmerdecke betrachtete und den Geruch der letzten Nacht noch einmal tief in sich aufsog, lächelte er und blieb. Erst um zwei rief er Arianne an. Es war ein kurzes Gespräch, kurz und kalt, erschreckend wenn man bedachte, was da nun wirklich alles für immer zerbrach.